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AVIVA-BERLIN.de im Mai 2024 - Beitrag vom 10.05.2006


Gender Marketing und Diversity Management
AVIVA Redaktion

Kongressbericht zum 1. Internationalen Gender Marketing Kongress in Berlin (April 2006)




Neue Wege denken - wirtschaftlicher Erfolg durch Gender Marketing lautete das Motto des 1. Internationalen Gender Marketing Kongresses in Berlin am 27./28. April 2006. Ãœber 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmerinnen waren gekommen.

Die Überschrift war jedoch etwas zu eng gewählt. Eigentlich beschäftigte sich der Kongress mit Gender Marketing und mit Diversity Management. Diversity Management wird in den USA und Skandinavien bereits erfolgreich eingesetzt. Es geht dabei darum, wie Unternehmen die Verschiedenheit ihrer MitarbeiterInnen - im Geschlecht, der kulturellen Herkunft, Alter oder der sexuellen Orientierung - zum beiderseitigen Vorteil nutzen können. Gender Marketing beschäftigt sich speziell mit den unterschiedlichen Ansprüchen und Bedürfnissen von Frauen und Männern, wie sie sich im Wirtschaftsleben durch die veränderten Rollenmuster in unserer Gesellschaft ergeben.

Zum Kongress eingeladen hatte Eva Kreienkamp von der Beratungsfirma FrischCo. Die Schirmherrschaft übernahm Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit. Vorträge hielten u.a. Renate Künast (Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion Bündnis 90/ Die Grünen) und Susanne Ahlers (Staatssekretärin in der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen). Die prominente Ausrichtung des Kongresses lässt erwarten, dass die Themen Gender Marketing und Diversity Management zukünftig stärker ins gesellschaftliche Bewusstsein rücken.

Der Eröffnungsvortrag von Alan Flack (IBM UK Ltd, Strategic Brand Manager) ging der Frage nach, ob "Diversity und Gender Marketing einzig eine amerikanische Erfolgsgeschichte?" ist. Flack konnte zeigen, dass dies seit einigen Jahren nicht mehr stimmt. Auch in Europa und Japan setzen sich die Konzepte zunehmend durch.

Viele der BesucherInnen waren gekommen, um in den zwei Tagen Anregungen und Impulse für ihre eigene Arbeit zu erhalten. AVIVA-Berlin interviewte einige von ihnen und fragte nach ihren Erwartungen.

Maud Pagels (Deutsche Telekom, Leiterin Diversity im Konzern Deutsche Telekom weltweit) sagte, sie erwarte primär "die Sensibilisierung für ein zielgruppenorientiertes Marketing, insbesondere auch für die Zielgruppe Frauen mit den vielen Facetten." Doris Kortus-Schultes (Hochschule Niederrhein, Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere für Marketing sowie Handelsbetriebslehre) ergänzte: "Ich war neugierig auf die Erfahrungen in anderen Branchen. Bislang habe ich mich seit mehreren Jahren fast ausschließlich mit der Automobilbranche beschäftigt und hier insbesondere der Bedeutung und kommunikativen Ansprache der Zielgruppe Frauen." Und Susann Schronen (Geschäftsführerin Art Directors Club, Berlin) äußerte: "Ich habe generell die Erwartung, dass das Thema, das in Deutschland noch nicht sehr stark besetzt ist, umfassend behandelt wird, mit all seinen Aspekten. Von einer klaren Definition von Gender Marketing, hin zu Untersuchungsmethoden und natürlich auch Ergebnissen."

Besonders wichtig war den TeilnehmerInnen der Austausch von Praxiserfahrungen. So z. B. Saverio Mazzalupi (Bauknecht Hausgeräte GmbH, Marketingdirector Germany): "Wir sind hier eingeladen worden, um unsere Erfahrungen mit Männerwaschkursen zu erklären und weil das auch für uns eine Überraschung war, wie sehr und wie gut das von den Konsumenten angenommen worden ist. Wir wollten diese Erfahrung mit den anderen Kollegen teilen."

Insbesondere diese Hoffnung sollte nicht enttäuscht werden. Vorträge und Best-Practice-Beispiele wechselten sich in einer bunten Reihe ab. Maria Widell Christiansen (Volvo Car Corporation, Project Manager YCC/VCC) stellte die Einführung des von Frauen für Frauen konzipierten Autos vor. "Das komplette von Volvo entwickelte Konzept-Auto wird es als solches nicht im Angebot geben. Konzept-Autos wie der YCC entstehen in ´think-tanks´ und zeigen Ideen und Möglichkeiten für die Zukunft auf. Das Konzept-Auto stimuliert den Dialog zwischen den diversen Märkten und unseren Kunden. Wir hören den Bedürfnissen und Wünschen unserer Kunden zu, diese fließen in den Prozess des Konzept-Autos ein. Die von unseren Kunden als wichtigste eingestufte Neuerungen werden dann in der Produktion übernommen."

Professorin Doris Kortus-Schultes, Leiterin des Kompetenzzentrums Frau und Auto an der Hochschule am Niederrhein gab einen Überblick über die Umsetzung von Gender Marketing in der Automobil Branche: "Nach meinen Beobachtungen sind die skandinavischen Unternehmen Vorreiter in diesem Bereich gewesen: Diversity (und damit Gender) haben sie in ihre internationale Firmenkultur eingebracht. Und so kamen die Themen auch nach Deutschland. Ford - und auch hier kommt der Impuls über die amerikanische Mutterfirma - ist seit einiger Zeit in diesem Bereich aktiv: Dort gibt es ein ‚European Women Marketing Panel´, das von einer Deutschen geleitet wird. VW ist sehr gut aufgestellt im Bereich Frauenförderung. Hier greifen erfolgreich Mentorinnen-Programme sowie regelmäßige Treffen der weiblichen Führungskräfte. Bei Daimler-Chrysler hat mich am vergangenen Freitag die Nachricht erfreut und überrascht, wonach Herr Zetsche bei den anstehenden Entlassungen anmahnt, aufgrund der guten Erfahrungen, die er bei Chrysler in den USA mit Diversity-Programmen sammeln konnte, Frauen bevorzugt nicht zu entlassen."

Auch aus anderen Branchen wie Banken, Versicherungen, etc. stellten ReferentInnen ihre Projekte und Erfahrungen vor. Vier Innovations-Workshops gaben die Möglichkeit, Aspekte zu vertiefen. Trotz der immer zu knapp bemessenen Zeit und dem dichten Programm fand ein reger Austausch auf einem interessanten und anregenden Niveau auf der Tagung statt. Vielen Gedankenanstöße konnten ausgelöst werden.

Die meisten TeilnehmerInnen waren mit den Ergebnissen sehr zufrieden. Doris Kortus-Schultes "Ich habe anlässlich des Internationalen Gender Marketing Kongresses vieles lernen können: Meine zukünftigen Marktforschungsstudien muss ich viel mehr auf Problemanalyse, auf die ‚Nöte der Menschen´ ausrichten. (…) Unsere Antennen in der Marktforschung sind jedoch sehr stark darauf ausgerichtet, Meinungen abzufragen und doch nicht so tief zu graben, bis es an die eigentlichen Motive von Verhalten, Einstellung und Präferenzen geht. Hier möchte ich in Zukunft wissenschaftlich stärker Methoden entwickeln und einsetzen. (…) Und insofern war es für mich ein äußerst lohnender Aufenthalt in Berlin!"

Einige TeilnehmerInnen machten bereits Vorschläge für neue Tagungen. Diana Jaffé (Bluestone AG, Vorstand) z. B. wünscht sich für weitere Tagungen: "Ich halte - zu diesem Stadium - eine öffentliche Diskussion über Definitionen für sinnvoll. Es hat sich auf dem Kongress gezeigt, wie neu der Begriff Gender Marketing ist, und dass sich sogar alte HäsInnen mit Abgrenzungen, Inhalten und Konzepten zuweilen noch etwas schwer tun. Mehr Zeit für Gespräche im größeren Rahmen wäre ebenso wünschenswert wie die Formulierung von Zielen."

PD Barbara Drinck (Freie Universität Berlin, Leiterin des AB Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft) wünschte sich zukünftig eine stärkere Zusammenarbeit zwischen WissenschaftlerInnen und Unternehmen. Sie erhofft sich davon offenbar eine stärkere Sensibilisierung ihrer Kollegen an der Universität. Pointiert hielt sie fest: "Was mir sehr angenehm aufgefallen ist, dass relativ viele Männer hier sind, dass dieses Thema Gender sich schon rumgesprochen hat. Ich hab immer so meine Probleme an der Universität, dass meine männlichen Kollegen das alles für Quatsch halten und meinen die Emanzipation der Frau sei ja schon abgeschlossen."

Maria Widell Christiansen "Für mich wäre es reizvoll, in Situationen in denen wir uns mit einem Thema wie Gender Marketing befassen, dies noch fokussierter anhand von Fallbeispielen zu untersuchen. Dies interessiert mich anhand der Unterschiede von speziell "weiblicher", "geschlechtsneutraler" und "männlicher" Perspektiven zu diskutieren. Sowie die Unterscheide der Altersgruppen und Generationen wie z.B. der babyboomer (Geburten starken Jahrgänge) zu untersuchen und so ein größeres Verständnis zu schaffen".

Die Tagung ist insgesamt als wichtiger und erfolgreicher Auftakt einer breit angelegten Diskussion über Gender Marketing und Diversity Management zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik anzusehen.

Weitere Informationen im Netz unter:
www.gendermarketingkongress.de
www.frischco.de


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Beitrag vom 10.05.2006

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